Freelance-Firecracker – Darum sind Freelancer der KNALLER

Frau sitzt am Laptop und schreibt

Die Vor(ur)teile des Freelancens sind so vielfältig wie komplex: selbstbestimmtes Arbeiten, Work-from-Home, unterschiedliche Stakeholder, kollidierende Interessen oder veraltete Rollenklischees - um nur einige zu nennen.

Fachkräfte-Mimimi an jeder Ecke: Gefühlt vergeht kein Tag ohne mediale oder persönliche Berichte darüber, was in unserer Arbeitswelt schiefläuft und wie gutes Personal an jeder Stelle fehlt. Leider lässt sich dieses allseits beklagte Dilemma nicht einfach schnell-schnell per Schnips in Feenstaub auflösen. Was wir allerdings tun können – Arbeitgeber wie Angestellte – ist uns zu öffnen: für alternative Arbeitsmodelle, und damit dem Fachkräftemangel unsere Art von Paroli bieten. Wir mögen über die Pandemie sagen, was wir wollen, doch eines hat sie geknackt: den harten Kern der bis dato so spaßbefreiten, verklemmten deutschen Arbeitswelt. Begriffe wie Home-Office, Virtual Meetings oder Freie Mitarbeit gehören auf einmal zum Standard-Vokabular vieler Unternehmen. Festangestellte (inklusive junger Mütter, die häufig sehr ernüchtert ins Berufsleben zurückkehren) fragen sich immer mehr: Wie will ich arbeiten? Was ist mir im (Berufs-) Leben wichtig, und was nicht?

Im Folgenden teile ich mit dir meine hart angesparten fünf Cent aus persönlichen Erfahrungen, Ernüchterungen und Einschätzungen zum Thema selbstbestimmtes Arbeiten als Freelancerin (und Mutter) und wie dich diese Art des Arbeitens sowohl als beauftragendes Unternehmen als auch als Freelancer (-Mom) bereichern kann.

 

Definition & Einordnung eines Freelancers

Der englische Begriff Freelancer heißt übersetzt so viel wie „freier Mitarbeiter“. Vereinfacht gesagt steht er für freiberuflich Tätige – sprich für Personen, die Aufträge unterschiedlicher Kundenunternehmen ausführen und auf eigene Rechnung tätig sind. Diese Personen befinden sich in keinem „normalen“ Arbeitnehmerverhältnis und sind nicht weisungsgebunden, da sie nicht in das Unternehmen des Auftraggebers integriert sind (Quelle: Brunel.net).

 

Das Freelance-Universum – der Status Quo

In Deutschland nennen sich derzeit rund 11 % der Bevölkerung selbstständig (Quelle: OECD). Und laut Statista (2022) ist die Zahl der Selbstständigen (in freien Berufen) zwischen 1992 und 2022 von 514.000 auf 1,47 Millionen gestiegen – sie hat sich also fast verdreifacht.

Seit der Pandemie zieht es Arbeitnehmer verstärkt in Richtung Freelance. Besonders junge Menschen legen Wert auf berufliche Selbstbestimmung sowie eine anständige Work-Life-Balance, was den Weg der Selbstständigkeit umso anziehender macht. So zeigen Ergebnisse einer Statista-Umfrage aus den USA, dass bereits 50 % der Gen Z als Freelancer tätig sind, dicht gefolgt von Millennials mit 44 %.

Auffallend ist jedoch, dass der deutsche Markt mit mehr als zwei Dritteln (69 %) noch immer männlich geprägt ist. Gleichzeitig sind ganze 41 % der selbstständigen Gründerinnen in Deutschland Mütter.

Plus, laut Prognosen soll der deutsche Freelancer-Markt innerhalb der nächsten Dekade einen deutlichen Aufschwung erleben. Demnach könnte jeder zweite Job von einem Freelancer besetzt sein. Wow!

Doch was macht den Reiz dieser nach wie vor mit Vorurteilen behafteten Arbeitsform aus? Sie gilt schlicht als lukrativ, flexibel und selbstbestimmt (unter anderem), da der jeweilige Stundensatz bzw. Wert der Arbeit sowie die Arbeitszeiten selbst bestimmt werden.

 

Vorteile für beauftragende Unternehmen

Aber was haben Beauftragende davon, einen Freelancer zu engagieren?

Zunächst mal: Ich bin voreingenommen, klar. Als überzeugte Supporterin des Freelancetums ist das mein Job. Gleichzeitig bin ich Realistin und sehe auch die Schattenseiten. Ich empfinde es trotzdem als meine unausgesprochene Verpflichtung, die unbezahlte Werbetrommel für diese in Deutschland noch mit Unsicherheit und Instabilität verbundene Form des Arbeitens zu rühren. Wenn du es richtig anstellst, sind die Möglichkeiten nämlich genau eines: geil.

Voraussetzung Nummer 1: Damit immer mehr frustrierte Arbeitnehmer:innen auf den Geschmack kommen und das Thema Selbstständigkeit aktiv angehen (ich weiß, das Absenden der Erklärung zur steuerlichen Erfassung war auch bei mir mit leicht feuchten Händen verbunden), müssen Unternehmen ihren eigenen Anteil leisten. Stichwort: Offenheit für Neues. Mit diesem Mindset im Gepäck können Freelancer Riesen-Pluspunkte (wie wär’s mit Umsatzsteigerung, Produktivität oder Markenbekanntheit) und Erleichterungen bedeuten.

Die wichtigsten sind aus meiner Sicht:

·         Die geleistete Arbeitskraft kann nach Belieben und Bedarf ausgebaut oder eingeschränkt werden.

·         Freelancer sind in ihrem Fachbereich Experten, die kaum Hilfestellung oder Einarbeitungszeit benötigen.

·         Beim Engagement von Freelancern muss null Budget für Arbeitsplatz und Equipment aufgewendet werden.

·         Eine Flexibilisierung durch Freelancing zahlt positiv auf das Ziel einer lernenden Organisation ein.

·         Freie Mitarbeiter bringen Flexibilität, neue Sichtweisen und kreative Denk- bzw. Handlungsansätze ins Unternehmen.

·         Besonders Freelance-Mütter sind ein weithin unterschätztes Asset: Sie bringen außergewöhnlich hohe Motivation mit (à la „ich werd’s euch zeigen“), sind nachweislich produktiver als Nicht-Eltern (siehe höherer Output bei weniger Arbeitsstunden) und verfügen über exzellente Fachkenntnisse (nicht selten aufgrund eigens finanzierter Fortbildungen während der Elternzeit).

·         Es besteht eine geringere finanzielle Verpflichtung, da Ausfälle und Krankheitstage nicht zulasten des Arbeitgebers gehen.

 

Der Kosten-Faktor: Freelancer versus Festangestellte

Ein gerne vernachlässigter Faktor bei der Entscheidung „Freelancer oder Fester“ ist folgender: Kosten.

Unternehmen sind häufig auf der falschen Fährte, wenn es darum geht, die finanziellen Kosten für einen Freelancer zu ermitteln. Sie vergleichen den Stundensatz oder die festgelegte Projektgebühr schlicht mit dem Gehalt oder Stundenlohn eines internen Mitarbeiters. Und: Sie gehen davon aus, dass die Vergütung das einzige Kosten-Element für Festangestellte darstellt. News Alert: Dem ist nicht so!

Hinzu kommen bei Festangestellten Kosten, wie Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, Urlaubs- und Freizeitansprüche, Arbeitnehmerentschädigungen, Gehaltsprämien oder Vergünstigungen.

Nach Angaben der Small Business Administration (SBA) sind die tatsächlichen Kosten für einen festangestellten Mitarbeiter im Normalfall sage und schreibe 1,25 bis 1,4 Mal höher als dessen Vergütung. Das ist mal ein Statement.

 

Die vermeintlichen Nachteile & warum sie gar keine sein müssen

Sicher kann das Engagement eines Freelancers auch Tücken mit sich bringen. Doch richtig angestellt, wirst du als Unternehmen nur profitieren.  Sieh selbst:

·         Contra-Argument:

Die Kontrolle der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit gestaltet sich bei Freelancern schwierig. Dies ist vor allem dann problematisch, wenn freie Mitarbeiter auf zeitlicher Basis bezahlt werden.

Mein Tipp: frühzeitig Vertrauen aufbauen. Transparenz und aufrichtige Kommunikation sind the-way-to-go. Das heißt, anfangs direkt die Themen und Punkte ansprechen, die wehtun. Sich verletzlich und menschlich zeigen. Das schafft Nähe.

·         Contra-Argument:

Die Suche nach geeigneten Freelancern ist häufig langwierig und aufwendig.

Das muss nicht sein: Stichwort Mundpropaganda. Ich könnte dir aus dem Stegreif mindestens 20 Freelancer aus verschiedensten Bereichen nennen. Mund aufmachen und herumfragen, einfacher geht nicht.

·         Contra-Argument:

Die Offenlegung von empfindlichen unternehmensinternen Daten gegenüber Externen geht mit gewissen Risiken einher. Deshalb sollte zu Beginn der Zusammenarbeit eine Verschwiegenheitsklausel unterzeichnet werden.

Hier geht’s schlicht und einfach um Bürokratie und vertragliche Bindung – nicht mehr und nicht weniger.

·         Contra-Argument:

Freelancer gehören nicht zum festen Stamm des Unternehmens und kennen sich somit mit den internen Abläufen und Werten nur bedingt aus. Das kann die Zusammenarbeit erschweren oder verlangsamen.

Mein Tipp: Manchmal muss man in Partnerschaften – besonders zu Beginn – etwas Zeit ins Kennenlernen und Beschnuppern investieren. In der Liebe genau wie im Business. Man will schließlich wissen, ob man „vibed“, ob Werte, Eigenschaften und Visionen harmonieren. Wer will schon monatelang in einer Beziehung stecken, und dann feststellen, dass man die letzte Rose dem Falschen gegeben hat? Dann doch lieber gleich zu Beginn die nötige Zeit investieren.

Moms & Freelancen: Riesen-Chance oder Mega-Flop?

„Waaaasss? Du willst dich selbstständig machen? Im Ärrrrrnst? Aber was ist denn mit der Sicherheit, der Familie, dem Kind, deiner Rente!“

Diese nett-gemeinten Worte der Warnung (das rede ich mir zumindest ein) habe ich besonders zu Beginn meiner Freelance-Tätigkeit so oft gehört, dass sie mir wie frisch gekautes Kaugummi wortwörtlich in den unsäglichsten Haarsträhnen klebten. Nicht cool.

Du merkst, ich komme in Rage. Weil ich diesen Negativ-Brei so unbegründet, so ungerecht finde. Sicher, es gibt Fälle, da sollte man definitiv die Finger von der Selbstständigkeit lassen. Doch das haut rein: Worte wie diese sprechen uns unsere Schöpferkraft und Sehnsucht ab, wirklich etwas zu bewegen.

Viel zu viele Elternzeitrückkehrerinnen in Festanstellung kämpfen mit ähnlich harten Bandagen: starre Bürozeiten, fehlende Flexibilität im Arbeitsalltag und vorurteilsbehaftete Kollegen / Chefs sind nur einige davon. Sprüche, wie: „Waaaasss? Du willst direkt wieder in Vollzeit einsteigen?“, oder das andere Extrem: „Du willst nuuur 15 Stunden arbeiten, na sooo was…!“ tun ihr Übriges. Man beachte die häufig überaus melodramatischen Betonungen der „Alles doof-Kritiker“.

Ich für meinen Teil habe beides erfahren und behaupte: Es muss etwas passieren – und zwar zunächst ganz oben.

Erst dann werden (bzw. können) mehr mutige junge Mütter den Sprung in die Selbstständigkeit und eine erfüllte Karriere wagen. Erst dann sind Werte wie Karriere UND Kind, Selbstbestimmung, Erfüllung und Sinnhaftigkeit nicht nur bloßes Wunschdenken.

Fancy Fact: Könnten laut einer aktuellen Studie alle Mütter so arbeiten, wie sie es gerne tun würden, stünden dem Arbeitsmarkt schlagartig 840.000 mehr Fachkräfte zur Verfügung.

 

Was sich ändern muss

Fakt ist: Die aktuellen Betreuungsstrukturen und Rahmenbedingungen seitens Unternehmen machen eine befriedigende Vereinbarkeit von Job und Kind(ern) für viele Frauen unmöglich. Was wiederum bedeutet, dass mehr als ein Drittel aller Mütter mit Kindern unter drei Jahren nicht berufstätig sind und die Geschlechterrollen in den Familien hyper-traditionell verteilt sind (Quelle: Süddeutsche Zeitung).

Ein paar Denkanstöße zu möglichen Lösungsansätzen:

Was kann der Staat tun?

·         Mütterfreundlichere Gesetze
Das heißt konkret, falsche gesetzliche Anreize abbauen und eine gleichberechtigtere Aufteilung der Familienarbeit zwischen Männern und Frauen fördern, zum Beispiel vom Ehegattensplitting hin zu einer Familienbesteuerung und gerechteren Regelungen hinsichtlich Elterngeld und Elternzeit.

·         Ausbau der Kinderbetreuung
Zum Beispiel durch den quantitativen Ausbau bezahlbarer Kinderbetreuungseinrichtungen und -zeiten, die Bereitstellung von Betreuungsalternativen bei punktuellen Versorgungslücken, die flexiblere Gestaltung von Betreuungszeiten in Einrichtungen und die Verfügbarkeit entsprechender Beratungs- und Informationsangebote.

Was können Unternehmen tun?

Hier können Firmen ansetzen, um die berufliche Entwicklung ihrer angestellten Mütter zu unterstützen:

·         Mehr Teilzeit-Optionen

Wer sagt, dass gute Arbeit nur in Vollzeit mit festen Arbeitszeiten und beim Arbeitgeber vor Ort geleistet werden kann?

Ein Lichtblick: Laut HiringLab.org fördert der Arbeitskräftemangel die Flexibilität von Arbeitgebern. So werden mittlerweile 15,8 % der Stellenanzeigen flexibel als Vollzeit- oder Teilzeitstelle angeboten.

·         Bewusstseinsänderung bei Führungskräften

Weg von: „Mutti-Image“-Stempel mit automatisch auf Eis gelegten Karriereschritten und Gehaltserhöhungen im Falle einer Schwangerschaft.

Hin zu: Jobsharing für mittlere & höhere Positionen, flexiblen Arbeitszeitkonten, höheren Anteilen von Frauen in Führungspositionen und Verlängerung der Elternzeit bei vollem Lohnausgleich.

Was können Familien & allen voran Väter tun?

Eine kürzlich veröffentlichte VAPRO-Studie zeigt: Männer überlassen Frauen weiterhin das Gros der Kinderbetreuung und Hausarbeit. Was tun?

·         Kommunikation ist King – auch beim Thema Karriere & Kinder

In vielen Familien herrscht der Trugschluss, dass es Frauen ausschließlich um Flexibilität, Vereinbarkeit und Gleichberechtigung geht. Darum geht es, sicher. Was für viele aber (mich inklusive), mit Beginn der Mutterschaft beruflich in den Vordergrund rückt, ist die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns für unsere (Nach-) Welt. Dieser Sinn-Frage werden wir manchmal jedoch nur gerecht, wenn wir unser ganz persönliches Ding starten – wenn wir selbstwirksam werden. Doch wie viele Väter wissen um diese Gedanken? Das Motto sollte lauten: mehr echte partnerschaftliche Kommunikation und Support für selbstständige Moms und die, die es werden möchten.

·         Väter First – No More

Immer mehr Vätern ist es wichtig, dass sich ihre Partnerinnen beruflich weiterentwickeln. Folgendes können sie unterstützend tun: die eigenen Arbeitsstunden zugunsten stärkerer beruflicher Wirksamkeit der Frau reduzieren (wenn finanziell möglich), Kind(er) bei Krankheit betreuen, die eigenen beruflichen Ambitionen realistisch und familienfreundlich hinterfragen, Überstunden reduzieren.

Fazit: Freelancer ja, aber …

Zweifelsohne: Freelancer werden auch in den kommenden Jahren fiese Personalengpässe abfangen und Unternehmen mit ihren Kompetenzen und ihrer Motivation enorm bereichern – wenn man sie denn lässt. Besonders für die weitläufig unterschätzte Spezies der jungen Working Moms bedeutet diese Art der Beschäftigung eine flexible, selbstbestimmte, sinnhafte Möglichkeit, die Berufswelt neu aufzumischen. Unter der Voraussetzung der aktiven Veränderung: in der staatlichen Familienarbeit, in der Haltung von Unternehmen zum Thema Freelancer (-Mütter) sowie in der privaten Einheit Familie. Goodbye ranzige Rollenklischees, Hello Neuzeit!

 

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Emotionen am Arbeitsplatz – No-No oder mehr als angebracht?

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Text trifft Personality: Wie viel Persönlichkeit braucht ein Text?