Emotionen am Arbeitsplatz – No-No oder mehr als angebracht?
Gelebte Emotionen am Arbeitsplatz sind die stillen Cheerleader für mehr Vertrauen, Produktivität und Mitarbeiter-Zufriedenheit.
Nix als Sorgen: Kind krank. Auto kaputt. Schwiegermutter nervt. Das Konto am Monatsende mindestens so leer wie der Kühlschrank am Freitag. Alles doof. Das alles sind typische Szenarien, die unser emotionales Gleichgewicht mächtig ins Wanken bringen. Und weil wir alle Menschen sind, geben wir unseren privaten Stress selten einfach mal so an der Pforte unserer Arbeitsstelle ab. Und dann sitzt uns dort auch noch der berufliche Stress im Nacken.
Wie gehen wir gesund und vor allem achtsam mit damit verbundenen (unangenehmen) Gefühlen, wie Wut, Ärger, Neid, Scham, Angst oder Trauer, am Arbeitsplatz um? Verheimlichen oder offen ansprechen? Teilen oder mit uns selbst ausmachen? Im Folgenden erfährst du, warum Emotionen am Arbeitsplatz keinesfalls ungeliebte Gäste, sondern „the Life of the Party“ sein sollten. Und: wie du als Arbeitgeber eine authentische Kultur der Gefühlsstärke und -akzeptanz etablierst.
Emotional gleich (un)professionell?
Viele Arbeitnehmer denken, dass sie an der Türschwelle zum Büro ihr authentisches Ich mitsamt ihrer bunten Gefühlswelt ablegen müssen, um ernstgenommen zu werden.
Gedanken, wie …
Dafür ist keine Zeit
Das ist doch total unprofessionell
Ich will aber nichts Super-Persönliches am Arbeitsplatz teilen
Das lenkt doch nur vom Wesentlichen ab
… spuken vielen im Kopf herum.
Fakt ist doch: Wir werden nicht automatisch zu Maschinen, sobald wir unser Corporate Universum betreten, und können unsere Gefühle nicht einfach auf Knopfdruck abstellen. Und das sollten wir auch nicht.
Warum Gefühle im Beruf so wichtig sind
Fakt ist außerdem: Es erfordert unbändige Energie, Emotionen zu deckeln und verstecken. Wir sind dadurch null wir selbst, tragen den ganzen Tag eine Maske. Wenn wir uns jedoch verletzlich und menschlich zeigen, öffnen wir ein Tor, das gegenseitiges Vertrauen möglich macht. Und ermöglichen damit Business, das auf Teamleistungen statt Einzel-Hustlerei setzt.
Das heißt, Gefühle im Berufsleben (wie auch privat) zu ignorieren, bringt ungefähr genauso viel, wie einen Luftballon so lange aufzublasen, bis er unvermeidlich platzt. Sie suchen sich am Ende ihr Ventil und richten unter Umständen unschöne Schäden an.
Je authentischer und offener wir uns an unserem Arbeitsplatz geben, umso zufriedener und produktiver werden wir. Das kann ich, genau wie viele andere Business-Leute, ohne fancy Studien oder Statistiken getrost unterschreiben.
Ein offener Umgang mit Gefühlen aller Art (von Angst, über Trauer, hin zu Wut, Scham und Freude) birgt aber auch Vorteile für die Arbeitgeber. Allerdings unter der Voraussetzung, dass offengelegte Gefühle wirklich gesehen, angenommen und idealerweise verstanden werden.
Die Vorteile für Arbeitgeber:
· Gesteigerte Arbeitsmoral und allgemeine Stimmung unter Mitarbeitern
· Mitarbeiter fühlen sich ernstgenommen und akzeptiert
· Mitarbeiter empfinden ein Gefühl der Menschlichkeit – weil sie immer zuerst Mensch sind
· Besserer Team-Spirit und höheres Empathievermögen unter Kollegen (-> Konfliktpotenziale sinken)
· Gesteigerte Mitarbeiter-Zufriedenheit und -Loyalität
· Erhöhte Arbeitsqualität
· Reduzierte Krankheitsquoten, inklusive Burnout
So etablierst du als Arbeitgeber eine Kultur der „gelebten Emotionen“
Leider gibt es noch immer viel zu viele selbsterklärte „gesundheitsorientierte Unternehmen“, die dieses Label mit einem einzigen Gesundheitstag im Jahr rechtfertigen. Dass es viel mehr braucht als das, dürfte auch den stursten Gesundheitsskeptikern mittlerweile klar sein. Doch was können Unternehmen konkret tun, um den Horizont ihrer eigenen Gefühlskultur auszuweiten?
Hier ein paar Impulse, die den Umgang mit Emotionen am Arbeitsplatz und damit das Wohlbefinden der Mitarbeiter fördern können:
- Gezielte Seminare & Schulungen
Wir sehen heute eine Fülle an Business-Coaches und -Beratern, die wertvolle Workshops und Trainings zu den Themen Emotionsregulation, Stressmanagement und mentale Gesundheit anbieten. Darin lernen Mitarbeiter und Führungskräfte angemessen und achtsam mit ihren eigenen sowie den Gefühlen anderer umzugehen. Sie erfahren, was sie in emotional fordernden Situationen oder Zeiten tun können, um sich oder andere bestmöglich zu begleiten und Räume zu halten.
- Der Vibe
Mache das Ungreifbare greifbar: Der Vibe eines Unternehmens und seiner physischen Arbeitsumgebung ist enorm wichtig für eine entspannte, offene Atmosphäre. Es geht um die Werte, die Vision und die allgemeine Kultur des Unternehmens. Es geht darum, einen Vibe zu schaffen, der emotionale Offenheit und Vielfalt lebt.
Diese im ganzen Haus, in jeder Führungskraft und jedem Mitarbeiter zu verinnerlichen erdordert nicht selten mehrere Jahre – also, Geduld ist gefragt. Oben genannte Maßnahmen, wie Kurse, Schulungen oder flexible Arbeitsmodelle, können hierbei unterstützen.
- Authentische Vorbilder
Der entscheidende Faktor, wenn es um emotionale Echtheit im Business geht: Die Verantwortung der Vorgesetzten. Leben diese emotionale Offenheit und Akzeptanz selbst vor und gehen offen mit ihrer eigenen Gefühls-Welt um, stehen die Chancen gut, dass Mitarbeiter diese Haltung unbewusst auf sich übertragen.
Gute Führung kann also nur gelingen, wenn Führungskräfte (FK) selbst emotional transparent agieren und ihre Mitarbeiter aktiv darin unterstützen, ihre Gefühle zu teilen. Diese Transparenz sollte aber nicht nur zwischen den FK und ihren Teams, sondern allen voran unter den Führungskräften selbst gelebt werden, um die damit verbundene Scham im Kern - das heißt auf höchster oder hoher Hierarchieebene, aufzulösen.
Fazit: Gibt es zu viel Emotion?
Meine klare Antwort lautet: Nein. Dennoch sollte eines immer mitspielen, wenn es darum geht, zu entscheiden, wie viel emotionale Offenheit angebracht ist: Das Bauchgefühl. Es ist definitiv hilfreich sich zu fragen: Was fühlt sich für mich passend an, wo ist meine Grenze, wie fühle ich mich im Umgang mit meinen Kollegen und FK. Für die einen mag sich eine gewisse Distanz gut anfühlen, für die anderen zählt nur die hundertprozentige emotionale Transparenz. Es gibt hier, wie so oft, kein Richtig oder Falsch. Es braucht nur eines: den Mut zur Emotionalität – auf allen Ebenen.